Rattengift am Hackeschen Markt

Immer wieder bringen illegal oder unsachgemäß ausgebrachte Rattengifte unbeteiligte Tiere in Lebensgefahr. Diesmal auf dem Hackeschen Markt in Berlin.

Um den Eingang herum liegen die pinkfarbenen Giftkörner offen herum. Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

Im November letzten Jahres hatte uns eine Tierschützerin auf einen besonders schlimmen Fall aufmerksam gemacht. Schauplatz ist der Hackesche Markt im Berliner Bezirk Mitte. Auf dem von Gastronomie und einem S-Bahnhof umgebenen, geschichtsträchtigen Platz findet regelmäßig ein Wochenmarkt statt. Wo Lebensmittel verzehrt oder verkauft werden, sind Mäuse und Ratten nicht weit. Daher hat das bezirkliche Straßen- und Grünflächenamt eine Schädlingsbekämpfungsfirma beauftragt, auf einer der den Platz untergliedernden Grünflächen regelmäßig Rattengift auszubringen.

Eine in Berlin gängige Praxis, wenngleich sie nicht die Ursache des Problems –herumliegende Essensreste- bekämpft. Außerdem legt die angebliche Fachfirma laut Aussage unserer Informantin das Gift in fahrlässiger, unsachgemäßer Art und Weise aus.

Auf dieser Grünfäche auf dem Hackeschen Markt liegt immer wieder Rattengift offen herum. Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

So auch im November, als wir uns vor Ort ein Bild machen. Auf der kleinen, mit einigen Bäumen und Sträuchern bepflanzten Grüninsel liegen im Bereich des Eingangs zu einem Rattenbau zwei Beutel `Detia - Frischköder Difenacoum`. Um das Loch herum sind großflächig die pink eingefärbten, mit Gift versetzten Getreidekörner verstreut. Wir vermuten, dass Tiere einen dritten Beutel aufgenagt haben, oder sich dieser durch den Regen einfach aufgelöst hat.

Beutel mit Giftweizen am Eingang eines Rattenbaus . Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

Qualvoller Tod

Der Wirkstoff Difenacoum ist ein Blutgerinnungshemmer (Antikoagulationsmittel) der 2. Generation. Wird das Gift gefressen, verursacht es inneren Blutungen und einen teilweise tagelang andauernden, qualvollen Tod. Das Toxin kann nicht nur oral, sondern auch über die Haut oder die Atemwege aufgenommen werden und Schäden verursachen. Das gefährliche Produkt darf ausdrücklich nur an gewerbliche Schädlingsbekämpfer ausgegeben werden, nicht an Privatpersonen. Gemäß dem Merkblatt des Herstellers Detia ist es, außer in der Kanalisation und in anderen abgeschotteten, unzugänglichen Bereichen immer in gesicherten Köderstationen auszulegen. Die Beutel ohne Schutz auf den Boden zu legen ist nicht erlaubt, denn die kleine Grünfläche auf dem Hackeschen Markt kann jederzeit von Menschen und Tiere betreten werden.

So sieht eine Köderbox aus. Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

Rechtliches

Biozide sind Produkte oder Substanzen, die nicht nur tierische Schädlinge und Lästlinge wie Insekten, Mäuse oder Ratten bekämpfen, sondern auch Bakterien, Algen und Pilze.

Als Beispiel sind Holzschutz- und Desinfektionsmittel, Mückensprays und eben Nagergifte zu nennen. Gemäß der EU-Biozidverordnung 528/2012 sowie § 15 Gefahrstoffverordnung dürfen Biozide nicht verwendet werden, wenn damit zu rechnen ist, dass dadurch mit schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen sowie von anderen Tieren außer den zu bekämpfenden zu rechnen ist. Vor diesem Hintergrund dürften Rattengifte mit Antikoagulantien eigentlich weder hergestellt noch angewendet werden, da immer eine potenzielle Gefahr für Unbeteiligte sowie für die Umwelt besteht.

Weiter heißt es in den Rechtsvorschriften, dass die Verwender von Bioziden dies sachgerecht und unter Berücksichtigung der von den Herstellern angegebenen Anwendungshinweisen tun müssen. Wie gut das klappt, zeigt unser aktueller Fall.

Auf der Rückseite des Beutels steht, dass der Giftweizen in Köderstationen zu verabreichen ist. Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

Totenstille

Unsere Informantin hat in der Vergangenheit schon öfter beobachtet, dass Vögel das ungeschützt ausgebrachte Giftgetreide aufpickten und der Vogelbestand kontinuierlich abnahm. Tatsächlich haben wir bei unserer Kontrolle im November auf dem gesamten Platz außer 2 Tauben keine anderen Vögel gesehen oder gehört. Das ist ungewöhnlich und besorgniserregend. Normalerweise sind auf belebten Standorten haufenweise Spatzen, Krähen und Tauben zu finden. Auch die Betreiber der Marktstände, die gerade bei Aufbau waren, bestätigten auf Nachfrage, dass die Vögel verschwunden seien.

Spatzen (Haussperlinge) in der Stadt. Foto: © Ursula Bauer

Die Opfer

Wie Ratten und Mäuse fressen auch Vögel gerne Körner und Samen. Daher sind mit Rattengift versetzte Getreidekörner oder -flocken für sie völlig unverdächtig. Selbst wenn die Tiere durch die Aufnahme von Giftgetreide nicht sofort sterben, kann schon die nächste kleine Verletzung aufgrund der verminderten Blutgerinnung zum Tod führen. Der Nachweis, dass Vögel durch Rattengift gestorben sind, ist allerdings schwierig, da sie selten draußen gefunden und zur Untersuchung gebracht werden können. Denn Raben, Krähen, Elstern und Füchse fressen die Kadaver schnell auf und vergiften sich dadurch ebenfalls Stück für Stück.

Sekundärvergiftungen

Das passiert auch, wenn vergiftete, noch lebende oder bereits gestorbene Ratten und Mäuse nicht sofort von den Schädlingsbekämpfern entfernt werden. Sie geben das Gift an Tiere weiter, die sie fressen. Katzen sind hier besonders gefährdet. Schon der Verzehr einer einzigen vergifteten Maus, die sterbend herumtorkelt, kann lebensbedrohliche Folgen haben.

Wird das Gift gefressen, verursacht es inneren Blutungen und einen teilweise tagelang andauernden, qualvollen Tod. Foto: © Ursula Bauer

Keine Warnung

Aus gutem Grund müssen einer Auslegung von Rattengift die vorgeschriebenen Warnhinweise gut sicht- und lesbar angebracht sein. Die verantwortliche Schädlingsbekämpfungsfirma hat auf dem Hackeschen Markt auch diese Vorgabe nicht richtig umgesetzt. Vor Ort befinden sich insgesamt 3 inzwischen verwitterte und weitestgehend unleserliche kleine Aufkleber an den ca. 30 cm hohen Pfosten des niedrigen Rabattengeländers. Ein davorstehender Mensch kann das weder erkennen noch lesen!

Unbrauchbarer Warnhinweis. Foto: © aktion tier, Ursula Bauer

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Mit Unterstützung unseres Rechtsanwalts haben wir sofort das Gesundheitsamt, die Untere Naturschutzbehörde und das Bürgeramt von Berlin-Mitte detailliert auch über die früher schon regelwidrige Giftauslegung informiert und dringend darum gebeten, eine sachkundigere Firma zu beauftragen sowie regelmäßig zu kontrollieren. Doch anstatt die Zusammenarbeit mit den offensichtlich nicht ausreichend verlässlichen und sachkundigen Schädlingsbekämpfern zu beenden, hat das Bürgeramt diese lediglich über unsere Beschwerde informiert.

Wir und unsere Zeugin werden jedoch die Augen offenhalten und den Markt regelmäßig kontrollieren. Die informierten Behörden sind nun in der Pflicht, eine regelkonforme Giftauslegung zu gewährleisten. Andernfalls machen sie sich selbst durch Unterlassung strafbar.

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.